Im Koalitionsvertrag wurde eine historische Verfassungsänderung festgelegt: Die Herabsenkung des aktiven Wahlalters in Berlin von 18 auf 16. Endlich können circa 60.000 Menschen mehr mit ihrer Stimme Einfluss auf die Politik nehmen. Das muss gefeiert werden!
Doch wir als Grüne Jugend Berlin sagen: Die aktuell geplante Wahlrechtsänderung ist nicht ausreichend. Lediglich das Alter für das aktive Wahlrecht, nicht jedoch für das passive wird abgesenkt. Das bedeutet: mehr junge Menschen dürfen zwar wählen, aber nicht in die Parlamente gewählt werden! So wird die Repräsentation junger Menschen nicht gefördert. Weiterhin braucht es das Wohlwollen volljähriger Abgeordneter, die Interessen minderjähriger zu vertreten.
Das vollständige Wahlrecht für 16- und 17-jährige mit deutscher Staatbürger*innenschaft ist für uns aber nur ein Zwischenschritt. Unser Ziel heißt weiterhin: Wahlrecht für Alle und ab 0! Weder die Staatsbürger*innenschaft noch das Alter dürfen Gründe für einen Ausschluss vom Wahlrecht sein! Junge Menschen weisen häufig überhaupt nicht die Einschränkungen für Wahlen auf, die angeblich gegen eine Herabsenkung bzw. Abschaffung des Wahlalters sprechen. Dazu gehört z.B. die politische Informiertheit oder ein „Mindestwissen“ über Parlamente. Ganz im Gegenteil: Junge Menschen haben die Pflicht, Politikunterricht zu belegen, während ältere Menschen nach der Schulzeit nie wieder einen Hauch Informationen über Politik konsumieren müssen. Eine 10-Jährige kann mehr über Repräsentative Demokratie wissen als ein 80-Jähriger.
Auch die vermeintliche Beeinflussbarkeit von Kindern und Jugendlichen wird regelmäßig als Grund gegen eine Wahlalterabsenkung angeführt. Dadurch, dass jüngere Menschen die Eintragung ins Wähler*innenverzeichnis aktiv einfordern sollten, wird die Stimmabgabe durch die Eltern ohne Zustimmung des Kindes verunmöglicht. Und genausowenig wie alle Menschen über 18 politisch informiert sind, treffen sie ihre Entscheidung immer eigenständig und reflektiert: Wie viele Menschen gibt es, die gerade nicht nach bestem Wissen und Gewissen wählen, sondern schlicht nach Gewohnheit oder dem, was die Nachbarin wählt? Mit einem Wahlrecht ab 0 würden wir das politische Interesse und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit fördern. So lernen alle in unserer Gesellschaft von Anfang an, dass sie ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sind und die Gesellschaft mitgestalten können.
Alle Menschen sollten wählen, wo sie wohnen und leben. Gerade Menschen ohne deutsche Staatsbürger*innenschaft, die ihren Lebensmittelpunkt und ihr zuhause in Berlin gefunden haben, müssen unbedingt wählen dürfen. Gerade dürfen Menschen aus EU-Ländern nur auf Kommunalebene wählen, während Personen aus den sogenannten „Drittstaaten“ (nicht EU-Staatsbürger*innen) gar nicht mitbestimmen dürfen. Diese Unterteilung bespiegelt und bestärkt koloniale und rassistische Strukturen und führt dazu, dass migrantisierte Menschen, besonders aus dem globalen Süden, systematisch von der Politik ausgeschlossen werden. Obwohl migrantisierte Menschen ohne deutschen Pass besonders oft in prekären Jobs das System am Laufen halten, wird ihnen das grundlegendste Mitbestimmungsrecht, das Wahlrecht verwehrt. Deswegen unterstützen wir den Volksentscheid „Demokratie für Alle“ und die Initiative „Nicht ohne uns 14%“.
In einer Demokratie, die alle repräsentieren soll, müssen auch alle
mitbestimmten dürfen!