Soziales

Gerechte Pflege in den Koalitionsvertrag

By 10. Januar 2022No Comments

Nach über 30 Tagen Streik der Berliner Krankenhausbewegung, lenkten Charité und Vivantes ein. Erste Verhandlungen werden jetzt geführt.1 Die Politik muss hier klare Haltung zeigen.

Im Sondierungspapier für eine Fortsetzung der Rot-Grün-Roten Regierung für Berlin heißt es hierzu: „Wir setzen uns dafür ein, die Arbeitsbedingungen und Bezahlung zu verbessern und weitere Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu ergreifen.“2

Die Grüne Jugend Berlin solidarisiert sich erneut und weiterhin mit dem Walk of Care und der Berliner Krankenhausbewegung und unterstützt ihre Forderungen:

Gesetzliche Personalmessung:

Wir fordern eine höhere Personalausstattung, um den gegenwärtigen und zukünftigen Pflegebedarf zu decken. Auf Grundlage von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen soll ein Bemessungsinstrument eingeführt werden, dass eine verbindliche Anzahl an Pflegenden in allen Bereichen, sowohl stationär als auch ambulant, festlegt. Als Überbrückung fordern wir die sofortige Umsetzung der PPR (Pflegepersonal-Reglung) 2.0 in den Krankenhäusern, bis ein aktuelleres Bemessungsinstrument entwickelt worden ist. Eine zeitlich begrenzte Mindestbesetzung muss aufgrund von Personalbemessungsinstrumenten festgesetzt sein. Nur so können wir jetzt sofort Veränderung schaffen und Arbeitgeber*innen den wichtigen Ansporn geben, bessere Arbeitsbedingungen zu gestalten.

Gute Ausbildung:

Gute Pflege beginnt mit der Ausbildung. Hier sind relevante Lehrmaterialien und uneingeschränkter Zugang zur Fachliteratur wichtig, die den Auszubildenden zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin fordern wir eine ausreichende räumliche, technische und personelle Ausstattung (Verhältnis von Lehrenden zu Auszubildenden mind. 1:15). 25% der praktischen Ausbildungszeit muss pro praktischem Einsatz mit einer Praxisanleitung erfolgen, Auszubildende dürfen außerdem nicht auf den Stellenplan angerechnet werden.

Um Qualität zu garantieren, muss die Weiterbildung für die Praxisanleitung mindestens zu einer staatlich anerkannten Weiterbildung im Umfang von 720 h erweitert werden und kurzfristig ist ein Bachelor Studium vorzusehen. Desweiteren müssen Praxisanleitende für ihre Tätigkeit vollumfängliche freigestellt und ausreichend vergütet werden. Damit die Ausbildung in der Pflege überall in Deutschland von vergleichbar guter Qualität ist braucht es eine bundeseinheitliche Ausbildungspauschale und eine gesetzlich festgelegte Investitionsquote der Träger in die praktische Ausbildung. Zuletzt müssen wir die Vergütung im primärqualifizierenden Pflegestudiengang wieder einführen, damit es nicht zu einem klassistischen, exklusiven Studium wird und Pflegewissenschaftler*innen gefördert werden.

Fort- und Weiterbildungsordnung:

Das Lernen darf nicht mit der Ausbildung enden. Aktuell ist aber genau das möglich. Pflege darf aber nicht mehr aus dem Bauch heraus erfolgen, sondern muss wissensbasiert stattfinden. Das geht nur, wenn Pflegende auch das Recht auf Fort- und Weiterbildung haben, ähnlich wie es bei den Ärztlichen Kolleg*innen bereits Normalität ist. Deshalb fordern wir eine Weiterbildungsordnung, damit Pflegende sich spezialisieren können, mehr Kompetenzen und Verordnungsrechte erhalten und ihr eigenes Wissen generieren können, was für die Professionsentwicklung essenziell ist.

Diese verpflichtenden Fortbildungen für die Pflegenden müssen in der Arbeitszeit und von Arbeitgebenden finanziert sein. Es ist sicherzustellen, dass diese Fort- und Weiterbildungen dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechen.

Gerechte Finanzierung statt Gewinnmaximierung

Therapieentscheidungen dürfen nicht aufgrund von finanziellen Interessen getroffen werden und Pflegebedürftigkeit darf nicht zu Armut führen – weder für die Pflegebedürftigen selbst, noch für ihre Angehörigen. Deshalb braucht es eine eine grundsätzliche Neustrukturierung, damit die Finanzierung im Gesundheitssystem bedarfsgerecht und gemeinwohlorientiert ist. Die Logik von Aktienmärkten kann nicht auf den Gesundheitsbereich angewendet werden. Aktien ergeben nur in Bereichen, in denen eine Wertschöpfung stattfindet, Sinn. Deshalb müssen alle nichtstaatlichen Gesundheitseinrichtungen gemeinnützig werden.

Für das Krankenhaus bedeutet das die schrittweise Abschaffung der DRGs (Diagnosis Related Groups), die Ursache für die Profitlogik im Geusndheitssystem sind. Damit Investitionskosten abgedeckt sind muss gesetzlich festgelegt werden, dass die Länder und Kommunen für diese aufkommen.

Damit die ambulante Pflege und stationäre Langzeitpflege solidarisch finanziert wird muss die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung zu erweitert werden, SGB 5 Leistungen müssen auch in der stationären Langzeitpflege durch die Krankenversicherung finanziert werden und die strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Bereich muss überwunden werden. Außerdem müssen wir pflegende Angehörige deutlich stärker finanziell unterstützen.

Auch unser Sozialsystem muss sich ändern. Wir brauchen gemeinsame Gesundheitskassen nach dem Solidaritätsprinzip für alle Bürger:innen, angepasst an ihre Bedürfnisse, die deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze bis zur verfassungsrechtlich vertretbaren Höhe und aufgrund des Rückgangs der Lohnarbeit, eine steuerliche Bezuschussung der Gesundheitskassen.

Politisches Mitbestimmungsrecht:

Die Politik darf nicht willkürlich über die Pflegenden entscheiden. Außerdem braucht die Pflege eine starke Stimme in der Selbstverwaltung des Gesundheitssystems. Zu lange ist diese geprägt von einer einseitigen Interessenvertretung, die Entscheidungen für alle trifft. Dass die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen hier nicht gehört wird, ist fahrlässig. Daher muss die Pflege, genau wie alle anderen Gesundheitsberufe und Patient:innenvertreter:innen, ein Stimmrecht im gemeinsamen Bundesausschuss erhalten. Auch auf allen anderen Ebenen der Entscheidungsfindung muss die Pflege vertreten sein. Daher fordern wir eine stärkere Einbindung der pflegerischen Fachexpertise in Krisenstäbe. Wir fordern außerdem eine Stärkung der Gewerkschaften und unterstützen die Forderung der Berliner Krankenhausbewegung für den TvÖD für alle.

1 https://www.verdi.de/themen/geld-tarif/++co++56ff954e-291d-11ec-a25e-001a4a160129

2 https://gruene.berlin/fileadmin/BE/lv_berlin/LV_Berlin_Dokumente/Wahl_2021/Sondi-erungspapier-Berlin.pdf (S. 6)

Beschlossen am 07.11.2021 auf der LMV der GJ Berlin