Soziales

223 Euro entfernt von einem würdevollen Leben

By 4. April 2023No Comments

Dieser Antrag wurde auf dem Aktiventreffen am 25. März 2023 in Folge auf die Frühjahrs-Landesmitgliederversammlung am 12. März 2023 beschlossen.

Das Bürgergeld reicht nicht! Wir fordern statt des beschlossenen Regelsatzes von 502 Euro einen armutsfesten Regelsatz von 725 Euro je Single sowie die Übernahme der Stromkosten und der Kosten der sogenannten “weißen Ware”, also aller notwendigen Haushaltsgeräte. Zudem sollen einmalige Bedarfe nach anfallender Höhe als Sonderbedarfe übernommen werden.

Ursprünglich sollte das Bürgergeldgesetz ein würdevolles Leben, mehr Respekt und Leistungsgerechtigkeit ermöglichen. Bundesarbeitsminister Heil spricht sogar von der „größten Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“. Die Realität hätte nicht weiter verfehlt werden können. Hierzu führte zum einen der fehlende Mut der Ampelkoalition von Anfang an, eine grundlegende Sozialstaatsreform anzugehen. Verstärkt wurde der Mangel an Ambition nochmals durch die Blockadepolitik der Union. Diese wurde im Vermittlungsausschuss zudem durch die FDP unterstützt und war letztendlich leider in weiten Teilen erfolgreich. So wurde das Vertrauensjahr, als einer der zentralen Aspekte der Reform, ersatzlos gestrichen und das Schonvermögen um ein Drittel auf 40.000€ gekürzt. Wir äußern entschieden Kritik an dieser Entscheidung.

Diese verpasste Chance hat zur Folge, dass auch das Bürgergeld als Nachfolgeregelung von Hartz IV keine reale soziale Teilhabe für Menschen ermöglicht, die längerfristig ohne Arbeit sind. Es verwaltet vielmehr weiterhin nur Armut. In der Praxis bedeutet dies, dass Menschen von sozialer, kultureller und folglich auch von politischer Teilhabe ausgeschlossen werden. Das Bürgergeld ist Armut per Gesetz, egal wie man es dreht und wendet, ob es Hartz IV, Arbeitslosengeld II oder Bürgergeld heißt.

Nur ein ausgesprochen kleiner Prozentsatz der Bevölkerung, nämlich 6%, geht davon aus, dass ausgewogene und gesunde Ernährung mit dem entsprechenden Regelsatz möglich ist. Schon immer war es schwierig mit den geringen finanziellen Mitteln, die im Arbeitslosengeld II für Ernährung vorgesehen waren, eine gesunde Ernährung zu finanzieren. Aber im vergangenen Jahr hat sich die Situation durch einen deutlichen Preisanstieg bei gesunden Lebensmitteln noch einmal deutlich verschärft. So sind die Preise für Gemüse durchschnittlich um 10,7% gestiegen, bei Gurken sogar um 26,2% und bei Tomaten 16,9%. Nicht nur das zeigt: Die Berechnungslogik muss geändert werden. Die Bedarfshöhe muss u.a. auch die erwartete Inflation und die erwarteten Lohnabschlüsse mit einbeziehen.

Die Sanktionen stellen ein weiteres Problem des Gesetzes dar. Die Bestrafung als Motivation zu sehen, zeichnet ein Menschenbild, das die GJ Berlin nicht teilt. Sanktionen verfehlen darüber hinaus ihr Ziel, abschreckend zu wirken. Dies belegt eine Langzeitstudie von Sanktionsfrei e.V., die den Effekt von Hartz-IV-Sanktionen auf 585 Teilnehmende untersucht hat.

Auch das Bundesverfassungsgericht erklärt Sanktionen für teilweise verfassungswidrig. Eine empirische Grundlage für die Wirkung von Sanktionen liegt außerdem nicht vor. Wie perfide sie sind, zeigt sich vor allem daran, dass sie die Kürzung des gesetzlich festgelegten Existenzminimums fordern. Dieses stellt den Betrag dar, der für ein Leben in Würde notwendig ist. Eine Kürzung würde damit also bewusst ein würdevolles Leben verhindern. Daher lehnen wir Sanktionen grundsätzlich und vollständig ab.

Dennoch gilt es festzuhalten, dass einige Punkte des Bürgergeldgesetzes bereits einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, so beispielsweise die Freibeträge für Studierende und Schüler*innen, finanzielle Anreize für Bildung und das Jahr Karenzzeit. Jedoch stehen wir nach wie vor am Anfang eines langen Weges, der aber unbedingt und zeitnah gegangen werden muss. Aus diesem Grund gilt es, das Bürgergeld schnellstmöglich weiterzuentwickeln.